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The sticky bit
Netzwerke werden gemeinhin als paradiesische Milieus begriffen, in denen ein unendlicher, nie versiegender Überfluss herrscht. Solcher Überfluss war und ist aber alles andere als selbstverständlich. Die Potentiale globaler Kollaboration ergeben sich weder aus Gutmütigkeit noch breitangelegtem Tugendterror, sondern werden harte Auseinandersetzungen mit sich bringen und viel Einfallsreichtum voraussetzen.
In Zeiten, in denen die Computer noch über wenig Ressourcen verfügten, gab es eine einfache, aber inzwischen beinahe in Vergessenheit geratene Methode, mit diesem Mangel sorgsam umzugehen. Der sogenannte Sticky Bit steht für "Save Text Image" und wurde dazu benutzt, eine gemeinsam in Gebrauch befindliche Datei oder ein vielfach verwendetes Programm auch dann noch im Arbeitsspeicher zu behalten, obwohl der letzte User seine Operationen bereits beendet hat.
Heutzutage wird diese Form von Ressourcenmanagement vom Kernel des Betriebssystems übernommen, doch der eigentlich überflüssig gewordene Sticky Bit wird noch manchmal eingesetzt, um in bestimmten Situationen eine spezielle Verfahrensweise festzulegen: Dann nämlich, wenn - unabhängig von der sonstigen Rechtevergabe - das Löschen oder Umbenennen einer Datei nur dem Superuser oder Besitzer vorbehalten ist. Gewöhnlich wird der Sticky Bit in temporären, gemeinsam genutzten Verzeichnissen verwendet, um sicherzustellen, dass die User ihre Dateien nicht gegenseitig überschreiben.
Das kleine oder große T des Sticky Bit ist ein Paradox, an dem ironischerweise alle aktuellen, sich ständig verschiebenden, ethischen Herausforderungen kleben: Wie können knappe Ressourcen nicht im Interesse einiger weniger, sondern im Sinne aller eingesetzt werden? Wie kann alle Welt alle Rechte haben, und zugleich niemand wahllose Zerstörungen anrichten?
Ein Betriebssystem ist Software, die den Betrieb eines Computers ermöglicht. Es verwaltet Betriebsmittel wie Speicher, Ein- und Ausgabegeräte und steuert die Ausführung von Programmen. Der englische Begriff "Operating System" verweist auf den ursprünglichen Sinn und Zweck: um schematische und fehlerträchtige Arbeiten zu erleichtern, schrieben die Operatoren Programme, die dann nach und nach zum Operating System zusammen gefasst wurden.
Heute übernehmen Betriebssysteme immer komplexere Aufgaben und sind aus dem Alltagsleben nicht mehr wegzudenken, auch wenn oder gerade weil sie meist im Verborgenen agieren: Mobiltelefon, Set-Top-Box, DVD-Player und all die anderen Gadgets der Unterhaltungsindustrie, Geld- und Fahrscheinautomaten, Kassen- und überhaupt die postmodernen Kontrollsysteme funktionieren mithilfe von Betriebssystemen, die die jeweiligen Interaktionen steuern und von denen wir in der Regel nur die enge Benutzerführung am User-Interface erfahren.
Eine der wesentlichen Funktionen eines ordentlichen Betriebssystems ist das sogenannte Rechtemanagement - also die Verwaltung der Zugriffsrechten auf die einzelnen Dateien, Programme und Inhalte. Professionelle Mehrbenutzer-Systeme wie Unix unterscheiden hier zwischen Leserechten, Schreibrechten und Ausführrechten (read-write-execute), die jeweils für den Autor und Besitzer, eine bestimmte Nutzergruppe sowie den Rest der Welt festgelegt werden.
Was anderes könnte das Thema, zu dem ich zu sprechen gebeten wurde, der Dreischritt "Zuschauer, Kollaborateur, Aktivist" also nahelegen als den Verweis auf ein gestaffeltes und in sich verschlungenes Rechtesystem, das von der Passivität zur Aktivität eskaliert? Und wie läßt sich eine solche Eskalation einordnen in den Kontext eines Kulturbetriebes, der den Regeln eines nicht minder ausgeklügelten Rechtesystems, bespielsweise basierend auf dem Bildungsbegriff des bürgerlichen Individuums, dem politischen Regelwerk der antiken Tragödie oder auch der selbstauferlegten Reflexivität postmoderner Tanz-Performances, folgt oder damit kollidiert?
Erstens, der Zuschauer:
Der Zuschauer schaut zu. Diese Tautologie verweist auf ein interessantes Paradox: Obwohl er nicht außen vorbleibt, ja sich geradezu mitten im Geschehen befindet, ist der Zuschauer kein Teil der Handlung.
Die Tätigkeit des Zuschauens basiert also zunächst auf einem ungeheuren Vertrauensvorschuss, einer blinden Affirmation. Wer zuschaut, stimmt zu, heißt es so schön. In der Tat verzichtet der Zuschauer auf die Möglichkeit zu intervenieren, obwohl ihn aufgrund der auf ein Minimum reduzierten zeitlichen und räumlichen Distanz eigentlich niemand daran hindern könnte.
Warum aber ist der Zuschauer so blöde? Warum will er nicht mitspielen, die Dinge in seinem Sinn verändern? Warum will er nicht helfen, einfach davonlaufen oder aus dem Saal stürzen wie die Besucher der ersten Vorführungen von bewegtem Filmmaterial?
Natürlich wird es in der jeweiligen konkreten Situation hierfür viele verschiedene Motive geben, aber nur einen wirklichen Grund: Der Zuschauer wird für seine Passivität ordentlich entlohnt.
Der süße Lohn des Zuschauens ist die Macht, affiziert zu werden. Im Gegensatz zu ähnlichen Rollen wie der des Beobachters, dessen Aufgabe es ist, unbefangen, neutral und nicht zu beeindrucken zu sein, zielt das Interesse des Zuschauers auf das Gegenteil ab. Er vermag es, affiziert zu werden, also durch das zur Schau Gestellte in unterschiedliche Gemütszustände versetzt zu werden, wohlgemerkt ohne dabei seine spezifische Subjektivität aufzugeben und sich gezwungenermaßen mit dem einen oder anderen Charakter zu identifizieren.
Die Fiktion, in der der derart affizierte Zuschauer verharrt, ist das Kapital der Akteure, konstitutiv für deren Handeln. Zuschauer verrichten schließlich einen großen Dienst: Sie stellen Öffentlichkeit her, denn erst das Publikum macht das Dargebotene zu einer öffentlichen Angelegenheit.
Die Währung, in der Zuschauer und Akteure miteinander verkehren, heißt Echtzeit. Die harte Definition von Echtzeit lautet, dass das Ergebnis einer Berechnung innerhalb eines gewissen Zeitraumes garantiert vorliegt, und zwar bevor eine bestimmte Zeitschranke erreicht ist. Oder anders gesagt: Es geht nicht nur darum, eine Geste richtig auszuführen, sondern auch rechtzeitig. Andernfalls versagt das System.
Zusammengefasst verzichtet der Zuschauer also freiwillig auf bestimmte Rechte, um im Gegenzug ohne eigenes Zutun in verschiedene Modi versetzt zu werden, und zwar in linear ablaufender Echtzeit.
Im Gefolge der notorischen Krise der Disziplinargesellschaften und ihrer Einschließungsmilieus ist nun auch die Rolle des Zuschauers ganz offensichtlich in arge Mitleidenschaft gezogen worden. Die fordistische Produktionsweise hatte zwischenzeitlich den Typus des zuschauenden Konsumenten kreiert: Den harmlosen Verbraucher, der am Ende eines Arbeitstages fressen soll, was ihm vorgesetzt wird, um ihn zu zerstreuen und nicht auf falsche Gedanken zu bringen. Hauptsache, der kontinuierliche Nachschub an Unterhaltung ist sicher gestellt. An die Stelle der Echtzeit trat das standardisierte Produkt - nicht nur einigermaßen reproduzierbar, sondern in seinen Effekten weitgehend kalkulierbar.
Verständlicherweise regte sich gegen solche Normierung immer wieder entweder vereinzelter oder gar massierter Widerstand, auf den Industrie und Mainstream nur mit einer Vervielfachung immer weiter ausdifferenzierter Angebote reagieren konnten - was aufgrund der technologischen Entwicklung tatsächlich auch möglich wurde.
Der materielle Aspekt der Unterhaltungsproduktion ist so zusehends in den Hintergrund geraten, entscheidend werden mehr und mehr immaterielle Aspekte: Aus dem manipulierbaren Konsumenten wurde der User, der die verschiedenartigen Angebote für seine eigenen Zwecke zu nutzen lernt.
Die Unterhaltungsindustrie kann auf das wachsende Selbstbewußtsein der Nutzer nur mit einer radikalen Einschränkung deren Lese-, Schreib- und Ausführrechte am jeweiligen Produkt reagieren. Auslöser dieser Panik ist die Digitalisierung der Unterhaltungsproduktion, die nicht nur eine verlustfreie Vervielfältigung der einzelnen Produkte erlaubt, sondern auch die Implementierung eines ausgeklügelten Rechtemanagements, das zur Not mit drakonischen Kampagnen eingeklagt wird. Die Warenförmigkeit der Unterhaltung wird ersetzt durch Kontrollregime, die in Echtzeit operieren, allerdings nicht linear, sondern eben On-Demand, sowie in nicht-öffentlichen oder nurmehr halböffentlichen Räumen.
Wenn der Verbraucher aber seines einzigen Rechtes beraubt ist, nämlich ein erworbenes Produkt auch zu verbrauchen beziehungsweise nach eigenem Gutdünken zu nutzen, wenn der Zuschauer sein großes Privileg verliert, sich auf den linearen Ablauf einer Handlung in Echtzeit sowie in einem von ihm geschaffenen öffentlichen Raum verlassen zu können, gerät das gesamte Betriebssystem der Unterhaltungsindustrie aus seinen Fugen und kann nur durch despotische Akte mühsam zusammengehalten werden.
Dieser Prozess ist im Augenblick auf verschiedenen Ebenen zu beobachten. Gleichzeitig aber ermöglichen solche dramatischen Machtverschiebungungen den Auftritt neuer Formen von Subjektivität.
Zweitens, der Kollaborateur:
Zuschauer, Verbraucher oder Nutzer, aber genauso gut Akteure oder Produzenten, die sich zu Gruppen zusammenschließen, erlangen durch diese Form der Selbstorganisation Macht, über die sie alleine niemals verfügen könnten. Nicht weil sie dieses oder jenes repräsentieren, sondern weil sie ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Möglichkeiten entlang bestimmter Präferenzen bündeln und so die Grenzen überschreiten, die ihnen als Einzelne oder Vereinzelte gesetzt sind.
Theater sind in diesem Sinne hochgradig arbeitsteilige, hierarchisch gegliederte Produktionsstätten, in denen Menschen zusammenarbeiten, deren Leistungen meist eben nicht für sich genommen zu würdigen sind, sondern sich immer auf die Arbeit jeweils anderer beziehen. Das eigene Schaffen ist einzigartig, aber nur in immer bloss vorübergehend existierenden Netzwerken hervorzubringen, die sich aus unzähligen, unverwechselbaren Abhängigkeitsverhältnissen zusammensetzen.
Solche Formen von Zusammenarbeit sind nun alles andere als romantisch. Es ist ein steter Kampf ums eigene, prekäre Überleben, der obendrein Modell steht für im Rest der Gesellschaft immer weiter um sich greifende Beschäftigungsverhältnisse, die sich hinter der geheuchelten Rhetorik von Kooperation, Vernetzung und Clusterbildung verbergen. Was aber wären die Begriffe, mit denen diese Geflechte aus Freiwilligkeit, Enthusiasmus, Kreativität, vorübergehender Beschäftigung, immensem Druck, regelmäßig wiederkehrendem Selbstzweifel und Verzweiflung bezeichnen liessen?
Anders als bislang noch im Deutschen bezeichnet das englische Wort "collaboration" ein ziemlich abenteuerliches Bedeutungsgemisch: Es heißt einerseits, mit jemandem zusammenzuarbeiten, und zwar vor allem in immaterieller oder intellektueller Hinsicht. Doch darüberhinaus beinhaltet "collaboration" auch einen unmoralischen, intriganten Aspekt: Verrat am eigenen Land, Kooperation mit einem Feind oder Besatzer.
So verhielt es sich etwa im zweiten Weltkrieg, als die Anhänger des Vichy-Regimes mit den Deutschen kollaborierten. Doch was hat solch abscheulicher Opportunismus mit den aktuellen Verhältnissen zu tun?
Bei der Kollaboration geht es um das genaue Gegenteil von dem, was die Managementtheorie seit den 80er Jahren als "Teamarbeit" verbrämt hat - also den Akt der Unterwerfung der eigenen Subjektivität unter das allgegenwärtige Kontrollregime der Gruppe, die den Vorarbeiter ersetzt hat und die Steigerung der Arbeitsleistung nicht mithilfe von Repressalien, sondern mithilfe einer aberwitzigen kollektiven Identifikation einer kleinen Zahl von Kollegen als miteinander konkurrierende Kleingruppen herstellt.
Inzwischen hat sich aber auch in der Managementtheorie Ernüchterung breit gemacht. In zahlreichen Untersuchungen wurde herausgefunden, dass in Teams in der Regel die falschen Entscheidungen getroffen werden -- vor allem dann, wenn es darum geht, etwas komplexere Probleme zu lösen.
Diese Erkenntnis ist umso erschütternder, als mit den rasanten technologischen Entwicklungen, mit der globalen Verfügbarkeit intellektueller Ressourcen und nicht zuletzt dem Aufstieg in der betrieblichen Hierarchie der Druck wächst, Wissen auszutauschen.
Es scheitert zum einen wohl daran, dass die bisherigen, zutiefst verinnerlichten Arbeitsweisen vom nackten Gegenteil geprägt sind: Um persönlichen Erfolg verbuchen zu können, sind die wirklich wichtigen Informationen vor anderen zu verheimlichen. Zum anderen verweist es darauf, dass mit dem Zusammenschluss in einer Gruppe das Potential Fehler zu machen, wesentlich stärker ansteigt als die Wahrscheinlichkeit, Erfolg zu haben. Ungünstige Gruppendynamiken, widrige äußere Faktoren, schlechtes Management tun ihr Übriges.
Ist also der Rückfall in die Kommando-Syntax despotischer Regime unausweichliche Konsequenz scheiternder Gruppenarbeit? Keineswegs. Es häufen sich Belege dafür, dass Gruppenarbeit unter genau entgegengesetzten Vorzeichen durchaus erfolgreich stattfinden kann. Statt die vermeintliche Generosität einer Gruppe zu bemühen, in der die Einzelnen einander angeblich solidarisch verbunden seien, geht es in Wirklichkeit doch um das Gegenteil: einen eher schroffen, im Prinzip ungenerösen Modus, in dem die Einzelnen, je mehr sie ihre eigenen Interessen verfolgen, umso stärker aufeinander angewiesen sind.
Dieses Paradox einer "Freundschaft ohne Freunde", wie Derrida es in anderem Zusammenhang einmal nannte, markiert den Übergang von Kooperation zur Kollaboration. Kollaboration bedeutet schließlich, Geheimnisse untereinander auszutauschen. Und zwar nicht aus sentimentalen Regungen, sondern durchaus aus Eigennutz.
Der Fluchthelfer, Schlepper oder Coyote, wie er an der us-amerikanischen Grenze genannt wird, stellt wahrscheinlich die Inkarnation der Kollaboration dar. Ständig in Bewegung, immer nur im Vorübergehen tätig, namenlos, dauernd die Seiten und Gesichter wechselnd, ist er illegalen Grenzgängern dabei behilflich, von einem Staat in den anderen zu wechseln, und zwar ohne den sonst üblichen Papierkram. Ein postmoderner Dienstleister par excellence: Wer den Serice nicht benötigt, jagt und verteufelt ihn; wer ihm aber über einen gewissen Zeitraum ausgeliefert ist, erwartet ihn umso sehnsüchtiger.
Anderes Beispiel für Kollaboration sind auch die sogenannten Peer-to-Peer-Netzwerke, in denen Menschen, die sich nicht kennen und in der Regel auch nicht kennen lernen wollen, immaterielle Ressourcen wie zunächst Rechenzeit oder Bandbreite, bald schon aber auch relevante Inhalte untereinander austauschen. Grundlage dieser meist anonymen Beziehungen ist, dass der Gegenstand der Begierde im rechnerischen Sinne eben nicht geteilt, sondern vervielfacht wird.
Kollaboration ist im Unterschied zur Kooperation, die immer einen von außen auferlegten Sinn beinhalten muss, grundsätzlich eine immanente und illegitime Praxis. Kollaboration stellt den Versuch dar, inmitten der in Echtzeit operierenden Netzwerke der Kontrollgesellschaft Autonomie zurückzuerlangen. Und erstaunlicherweise scheint es keine Rolle zu spielen, ob nun on- oder offline.
Drittens, der Aktivist:
Aufgabe des Aktivisten scheint es, etwas Neues hervorzubringen. Was aber bedeutet das in Zeiten, in denen Neuigkeiten in erster Linie Angst und Schrecken verbreiten? Was kann noch als neu bezeichnet werden, wenn alles schon einmal dagewesen scheint? Welchen Wert hat das Neue, wenn es sich immer öfter als schaler Aufguss von Altbekanntem oder einfach nur Lug und Trug herausstellt? Und was, wenn das Neue gar nichts mit dem Unbekannten zu tun hat, sondern vielmehr die Allgegenwart ständiger Veränderung bezeichnet?
Neuer Mensch und neue Welt sind bekanntlich längst entzaubert. Revolutionen verheissen nichts Gutes mehr und Reformen müssen heutzutage vor allem wehtun. Neu ist allenfalls noch lebenslanges Lernen und die Unausweichlichkeit permanenter Anpassung an die Allmacht der Verhältnisse - am besten in Echtzeit.
Der Aktivist ist so naiv, sich davon nicht einschüchtern oder beeindrucken zu lassen. Um in derart aussichtsloser Lage aktiv zu werden und zu agieren, sind zunächst einmal weitest gehende Berechtigungen auf allen Ebenen von Nöten, die sich der Aktivist in der Regel selbst nimmt, und zwar ohne großes Aufheben daraus zu machen. Diese Illegitimitität, die sich in der rücksichtslosen Aneignung der vorenthaltenen Rechte ausdrückt, ist der kleine, aber feine Unterschied zwischen Aktivist und Akteur, der immer auf Geheiß anderer agieren muß und dessen Kunst darin besteht, die Leerstellen zwischen den im Laufe der Zeit absurd gewordenen Kommandos zu füllen.
Entsprechend privilegiert macht sich der Aktivist also daran, eine Umgebung zu kreieren, die seinen vordergründigen, taktischen Zielen möglichst dienlich ist. Aktivismus beginnt damit, dass eine Reihe von Variablen definiert und verschiedene Varianten durchgespielt werden müssen. Entscheidend ist die Fähigkeit, die herrschenden Verhältnisse nicht nur zu dekonstruieren, sondern auch einzelne Parameter eigenmächtig zu verändern oder zu ersetzen.
In gewissem Sinne ist der Aktivist also ein wild gewordener Zuschauer, der nicht nur affiziert werden, sondern auch affizieren will. Gleichzeitig treten Aktivisten nie einzelnen, sondern immer in der Gruppe auf: So können sie die Verantwortung hin- und herschieben, schließlich sind verminderte Zurechnungsfähigkeit oder Charakterlosigkeit nicht nur Voraussetzungen für die teilweise halsbrecherischen Manöver, sondern auch der Antrieb, ständig in Bewegung zu bleiben.
Inzwischen längst klassische Formen des Aktivismus, wie etwa Adbusters, Luther Blissett, RTmark und all ihre unzähligen Resonanzgruppen, arbeiten mit Störungen, Unterbrechungen, Disruptionen, die durch minimale, vom unbedarften Betrachter auf den ersten Blick kaum wahrnehmbare Veränderungen ausgelöst werden. Aktuelle, neuere Formen des Aktivismus gehen weiter und verknüpfen Fake, Remix und Parodie zu dem, was in der Industrie Reverse Engineering genannt wird.
Dabei ging es ursprünglich darum, eine Maschine (zum Beispiel ein Auto) in all ihre Bestandteile zu zerlegen, um die Funktionsweise der einzelnen Komponenten verstehen zu lernen und so in Eigenentwicklungen übertragen zu können. In der Software-Produktion bezeichnet Reverse Engineering heute die Rekonstruktion des Quell- oder Maschinen-Codes, der in proprietären Formaten hinter den Binärdaten geheim gehalten wird und nicht mehr zugänglich ist.
Aktivismus ist so gesehen also über die blosse Störung hinaus ein Akt der differenzierenden Aneignung, und zwar - bei allem Ernst der Sache - auf spielerische Art. Dies zeichnet den Aktivismus aus gegenüber traditionellen Formen politischer Intervention, die in der Regel so funktionieren, dass Komplexitäten und Unberechenbarkeiten systematisch reduziert und ausgeschlossen werden. Dem Aktivismus geht es genau um das Gegenteil von simpler PR und platter Propaganda: das Unvorhersehbare, Unkalkulierbare, das mit herkömmlichen Mitteln nicht zu Erreichende. Eben nicht das Neue, sondern das Aktuelle.
Deleuze hat den differenzierenden und dynamische Vielheiten erzeugenden Prozess der Aktualisierung unterschieden vom Vorgang der Realisierung, die immer nur Gleiches oder Kopien produziert: "Im Prozeß der Aktualisierung zählt in erster Linie der Unterschied – der Unterschied zwischen dem Virtuellen, von dem ausgegangen wird, und den aktuellen Momenten, zu denen man gelangt, sowie der Unterschied zwischen den sich ergänzenden Linien, an denen entlang die Aktualisierung verläuft."
Aktualisierung heisst Tätig-werden, und bedeutet in der Tat: Kreation und Intervention, Experiment und Eingriff in die Wirklichkeit, Karte einer werdenden Welt. Aktivismus ist dabei das Gegenteil von Selbstverwirklichung, erfordert vielmehr Selbst-Organisierung und stellt die Frage nach dem Gemeinsamen: Was verbindet die einzelnen, oftmals ort- und zusammenhangslosen Denk- und Handlungsweisen? Wo verlaufen die Linien einer Ästhetik und wo befinden sich die Orte eines Politischen, die mit der Mechanik von Ein- und Ausschluss gebrochen haben, weil sie die bipolare Weltordnung des bürgerlichen Individuums längst hinter sich gelassen haben?
Schließlich geht es beim Aktivismus um die Neubestimmung und Verkartung des Handlungsvermögens mithilfe der Variable des Globalen, das sich dadurch auszeichnet, dass es Begrifflichkeiten über bestimmte Teilbereiche hinaus definiert: Ein nicht-totalitäres, taktisches Verständnis von Welt, in dem das Globale nicht zwangsläufig über die Menschen herfällt oder Synonym ist für die Unabänderlichkeit fortschreitender Verelendung, sondern im Gegenteil: Das Globale als soziale Potenz, als Erfahrung der ungeheuren Kreativität der Vielheit und Verschiedenheit aller produktiven Praktiken.
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