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Drei Fernseh-Filme von Michael Mrakitsch und Strategien ihrer Aktualisierung

Florian Schneider

Er galt als der „Dostojewski des Dokumentarfilms“ (Süddeutsche Zeitung), als „der eigensinnigste, der besessenste Dokumentarist des deutschen Fernsehens“ (Der Spiegel). Seine Filme wurden gefeiert als „Triumph des Dokumentarischen über die Fiktion“ und schienen schon vor 20 Jahren „auf den Wühltischen eines gefallenen Mediums zu verschwinden“ (Die Zeit).

Heute kennt kaum mehr jemand den in Nürnberg geborenen, in der Schweiz beheimateten und von den frühen 1960er- bis in die 1990er-Jahre hinein für verschiedene deutsche Fernsehanstalten tätigen Filmemacher, Schauspieler und Maler Michael Mrakitsch. Die Filme des im vergangenen März nach längerer Krankheit verstorbenen Autors aber gehören zu den aufregendsten, anspruchsvollsten und herausforderndsten Werken einer kurzen Epoche der Film- und Fernsehgeschichte, die, wenn nicht ganz verschwunden, so doch zumindest in den Archiven der Sender begraben liegt.

Mrakitschs Arbeiten umfassen mehrere groß angelegte politische Dokumentarfilme, Filmessays, Künstlerporträts sowie einige Spielfilme. Ihnen allen hängt das Etikett „schwierig“ an, und das hat mindestens drei Gründe.

Er galt als der „Dostojewski des Dokumentarfilms“ (Süddeutsche Zeitung), als „der eigensinnigste, der besessenste Dokumentarist des deutschen Fernsehens“ (Der Spiegel). Seine Filme wurden gefeiert als „Triumph des Dokumentarischen über die Fiktion“ und schienen schon vor 20 Jahren „auf den Wühltischen eines gefallenen Mediums zu verschwinden“ (Die Zeit). Heute kennt kaum mehr jemand den in Nürnberg geborenen, in der Schweiz beheimateten und von den frühen 1960er- bis in die 1990er-Jahre hinein für verschiedene deutsche Fernsehanstalten tätigen Filmemacher, Schauspieler und Maler Michael Mrakitsch. Die Filme des im vergangenen März nach längerer Krankheit verstorbenen Autors aber gehören zu den aufregendsten, anspruchsvollsten und herausforderndsten Werken einer kurzen Epoche der Film- und Fernsehgeschichte, die, wenn nicht ganz verschwunden, so doch zumindest in den Archiven der Sender begraben liegt. Mrakitschs Arbeiten umfassen mehrere groß angelegte politische Dokumentarfilme, Filmessays, Künstlerporträts sowie einige Spielfilme. Ihnen allen hängt das Etikett „schwierig“ an, und das hat mindestens drei Gründe.

Zum einen widmete Mrakitsch sich fast ausschließlich Themen, die sich durch ein bestimmtes Gewicht auszeichneten. Seine Karriere als Filmemacher begann zwar mit einer Reihe von Kurzfilmen für das satirische „Freitagsmagazin“ des Schweizer Fernsehens, doch gleich nach einem Eklat mit den dortigen Verantwortlichen wechselte Mrakitsch zur Dokumentarfilmabteilung des Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart, später war er vor allem für Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk tätig. Mit Redakteuren wie Klaus Simon und Elmar Hügler entstanden immer längere Filme, die sich wieder und wieder an nichts geringerem abarbeiteten als „gesellschaftlich sanktionierter Gewalt“.

Michael Mrakitsch galt von Anfang an als unbequem. Manche nannten ihn ein „Schreckgespenst der Redakteure“. Er war ein Quereinsteiger, wie viele seiner Kollegen damals, studierte Malerei an der Kunstakademie Genf, gehörte in Bern zum Freundeskreis um Dieter Roth und Daniel Spoerri. Ende der 1950er-Jahre ging er für längere Zeit nach Paris, wo er bei Filmen der „Nouvelle Vague“ volontierte und Alain Resnais traf.

Mrakitsch war ein Eigenbrötler, der aber nicht unabhängig, sondern stets in vergleichsweise gut ausgestatteten Fernsehproduktionen arbeitete. Deren Reglementierungen wollte er sich keineswegs unterwerfen. Mrakitsch bestand vielmehr auf einem Höchstmaß an künstlerischer Freiheit, das ihm die Bürokratien der Sendeanstalten, wenn, dann nur widerwillig oder nach nervenzehrenden Auseinandersetzungen zugestanden. Vor allem aber hat er es sich selbst nie leicht gemacht.

Schwierig heißt auch, dass es nicht gerade einfach auszumachen ist, worin die Bedeutung von Mrakitschs Filmen aus heutiger Sicht liegen könnte. „Die Auseinandersetzung mit dieser Gesellschaft muß in dem Medium stattfinden, das dominiert,“ lautete sein Credo. Es war ein Kampf, der nur von kurzer Dauer und von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Eben deswegen könnte er Aufschluss geben über Verhältnisse, in denen das Fernsehen zwar seine Dominanz verloren hat, seine einstige Macht aber in der Formatierung neuer Medien fortwirkt.

Mrakitschs Filme handeln von der jeweils besonderen und immer wieder neu zu erkundenden Unmöglichkeit, einen Film zu machen – wenigstens im herkömmlichen Sinne. Alles, was zu sehen und zu hören ist, passiert diesem und etlichen anderen Umständen zum Trotz. Jeder von Mrakitschs Filmen ist ein Beleg. Er zeugt nicht von einer notwendigerweise verzerrten Realität, sondern von einem niemals unkomplizierten und für niemanden einfachen, ernsten und alles andere als zynischen Bemühen, ausgerechnet aus dem Scheitern der Strategien des Sichtbarmachens eine Erkenntnis zu ziehen, die weit über die Dokumentation eines falschen Wirklichen hinausgeht und nur deswegen darauf beharren kann, deutlich werden zu lassen, was wirklich falsch ist.

***

Djibouti oder Die Gewehre sind nicht geladen, nur nachts ist die eigentlich unbeabsichtigte, weitgehend widerwillige Sezierung der mehr oder weniger offensichtlichen Widerwärtigkeiten eines kolonialen Regimes, das sich selbst längst überlebt hat, aber dennoch gerade unverdrossen dabei ist, seine postkoloniale Fortschreibung weit über unsere Gegenwart hinaus zu inszenieren.

Mrakitsch war mit einem kleinen Fernsehteam nach Djibouti gereist, um einen Film über deutsche Söldner bei der Fremdenlegion zu machen. Es hätte wohl ein Film werden sollen im Stile der entlarvenden Beobachtung deutscher Alltagskultur in all ihrer unverarbeiteten Banalität – eine Attitüde, die die „Stuttgarter Schule“ um Roman Brodmann, Wilhelm Bittorf, Elmar Hügler oder auch Peter Nestler in den 1960er- und frühen 70er-Jahren kennzeichnet, der Mrakitsch gegen seinen Willen ebenfalls zugerechnet wird. Doch als die Dreharbeiten beginnen sollten, weigerte sich der Protagonist auf einmal, aufgenommen zu werden. Mrakitsch fängt trotzdem an zu filmen: Bruchstücke von Bildern, die sich selbst verbieten, zufällig doch noch zustande kommende Gelegenheiten, die auf ein bereits gescheitertes Projekt verweisen, lange Fahrten an der Oberfläche einer Wirklichkeit, die auf die Schnelle nicht zu ergründen ist.

Am Schneidetisch entsteht dann ein Film, der mit dem visuellen Repertoire der Auslandsreportage abrechnet, wie es bis heute vorherrscht: zur Schau gestelltes Elend in der Dritten Welt in mehr oder weniger rasch zusammengeklaubten Bildern, die selbst krassesten Formen von Armut und Ausbeutung immer noch einen Aspekt exotischer Schönheit abzuringen im Stande sind. Darüber allerdings liegt ein Text, der die beklemmende Hilflosigkeit seines Machers verhandelt, dem kolonialen oder auch schon post-kolonialen Ausbeutungs- und Abhängigkeitsgefüge wenn auch nur symbolisch zu entkommen, um einen Film zustande zu bringen, der der Thematik angemessen wäre.

Es geht ganz sicher nicht darum, wie es in Djibouti wirklich ist. Der Ort ist, wie es in dem zweiten Film knapp zwanzig Jahre später heißen wird, eine Erfindung, und jeder Versuch, sich auf die Perfidie der kolonialen Realität einzulassen, muss unweigerlich in Komplizenschaft mit dem Regime enden. Die einzige Chance, ihr zu entkommen, ist die Betäubung aller Sinneswahrnehmungen.

Was tun? Mrakitsch stellt die Frage nicht einmal, geschweige denn eine Antwort vorzuschlagen. Zwischen den Bildern und in der Abwesenheit jeglicher Identifikationsfigur ist die unausgesprochene Hoffnung auf Befreiungsbewegungen zu spüren, die die Momentaufnahmen eines reisenden Dokumentaristen aus Deutschland bald zu Makulatur machen oder zu einer Fußnote im Feuilleton. Später heißt es, der Anführer der Unabhängigkeitsbewegung und spätere Präsident soll den Film gesehen haben, der Direktor der Fernsehanstalt des entkolonisierten Djibouti wolle ihn ausstrahlen. Aber erst dann, wenn Djibouti wirklich befreit ist.

Das Schlimme ist nur, dass eben das nicht passiert oder weiter auf sich warten lässt. Wenn Mrakitsch 1991, während des ersten Irakkriegs, wieder in Djibouti ist, hat sich alles verändert, um genau so zu bleiben, wie es vor der nominellen Unabhängigkeit von den französischen Kolonialherren war. Dieses Mal kommen, im Unterschied zum ersten Djibouti-Film, in dem die koloniale Perspektive bis zur Unerträglichkeit geschlossen bleibt und formal nicht gebrochen wird, auch Protagonisten von vor Ort zu Wort: Poeten und Schriftsteller, die über das reden, „was jetzt geschieht“ in ihrem „erfundenen, reglosen Land“. Empathie oder gar Mitleid, ansonsten die charakteristischen Merkmale einer Dritt-Welt-Dokumentation, kommen auch dieses Mal nicht auf. Am Ende heißt es: „Wir beobachten uns gegenseitig, flüchtig oder mit wacher Beiläufigkeit, wechseln aber kaum ein Mal ein Wort. Ein paar Mal lachen wir uns an.“

Mrakitsch dürfte zu den wenigen Dokumentarfilmern gehören, die recht konsequent der Versuchung stand gehalten haben, Opfer ins dokumentarische Bild zu nehmen – nicht um ihrer selbst willen, nicht um einen vermeintlich harmloseren oder womöglich effizienteren Weg zu wählen, die Machenschaften der für die Verhältnisse Verantwortlichen zu entlarven, nicht um den Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten, in dem sie sich ihrer Position als gutwillige, wohlmeinende Beobachter vergewissern könnten.

Die Wirklichkeit des Filmbildes macht keine Anstände, eine Verbindung mit dem, wie es wirklich ist, herzustellen oder gar korrekt zu repräsentieren. Das Bild dokumentiert vielmehr das Scheitern des Filmemachers vor der Übermacht einer Gewalt, mit der sich anderweitig auseinander gesetzt werden, die anderswo bekämpft werden muss. Nur wenn dieses Scheitern gelingt, kann der Film in einem anderen Kontext und mit eher unabsehbaren Folgen so etwas wie Wahrheit über die gesellschaftlichen Verhältnisse hervorbringen.

***

Drinnen, das ist wie draußen, nur anders. Protokolle aus einer psychiatrischen Anstalt („Irrenhausprotokolle“) spielt in einer in den 70er-Jahren als progressiv geltenden psychiatrischen Anstalt bei Düren, auf halber Strecke zwischen Köln und Aachen. Es ist wohl das erste Mal, dass Patienten einer psychiatrischen Anstalt im deutschen Fernsehen selbst zu Wort kommen, meist allerdings nur hinter einer Scheibe, die den Bildschirm auf merkwürdige Weise verdoppelt. Darin spiegelt sich eine Gesellschaft, die diejenigen bloß ruhig zu stellen vermag, die nicht mehr selbst dazu in der Lage sind, ihre Ware Arbeitskraft zu reproduzieren.

Der Film verzichtet völlig darauf zu investigieren. Es geht ganz offensichtlich nicht darum, unmenschliche Zustände zu enthüllen, zu Unrecht eingelieferte Insassen zu rehabilitieren oder der Klinikleitung Versagen vorzuwerfen. Stattdessen wird mit einer unbeweglichen Kamera und ohne dass der Filmemacher in die Aufnahmesituation interveniert, wieder und wieder festgehalten, nach welchen Vorgaben und mit welchen Ergebnissen das Anstaltssystem funktioniert.

„Der neue Anstaltspatient ist ein Mensch, von dessen gesellschaftlichem Vorhandensein man sich im Allgemeinen mehr Schaden als Nutzen verspricht, ein Einzelner, dessen sozioökonomische
Relevanz fragwürdig geworden ist und überprüft werden soll.“ Mrakitschs Text aus dem OFF beschränkt sich auf die wesentlichen Informationen und bleibt vergleichsweise trocken.

„Abgeschoben wird der Unzuverlässige, der Schwierige, der Lästige, der Störende, der Unberechenbare – nicht eigentlich der Kranke. Und die Krankheit spielt auch in der Anstalt eine untergeordnete Rolle.“ Diese eher unspektakuläre These wird auf über 90 Minuten minutiös belegt und in vollendeter Form dargelegt. Schließlich ist die Verwaltung des alltäglichen Elends erschütternder als jeder Skandal: „Not nur erträglich zu machen läuft auf eine Humanisierung des Inhumanen hinaus.“

Wie in Djibouti geht es um die Sedierung des Willens zur Selbstbestimmung, das schleichende Auslöschen von Subjektivität im Medikamentenrausch, die Verwahrung und Verschiebung von Untoten. Einstellungen, die keinen Ausweg mehr möglich erscheinen lassen, Gespräche zwischen Ärzten und Patienten, in denen nach und nach jede Hoffnung auf eine wie auch immer geartete Besserung der Lage schwindet. Und dennoch sind die Patienten keine Opfer, sie wirken, als wären sie sich ihrer eigenen Aussichtslosigkeit in einem verstörenden Maße bewusst und bewahren, je länger das Bild andauert und ihre Erstarrung festhält, eine geradezu außergewöhnliche Würde.
Im Gegenzug hat die relative Souveränität der Patienten paralysierende Wirkung auf uns Zuschauer, deren vermeintliche Normalität sich zusehends als Konstrukt oder schlimmer noch: glücklicher Zufall herausstellt. „Was droht ist eine Gesellschaft der verselbständigten Prozesse, die Gesellschaft als totale Institution, in der allein der Unfall noch ein Lebenszeichen ist.“

***

Schalom oder Wir haben nichts zu verlieren ist blankes Entsetzen: Das Erschrecken vor der Wirklichkeit eines Krieges, dessen Abbilder mittlerweile fester Bestandteil des Rituals fast jeder Nachrichtensendung sind. Der Film sammelt Eindrücke von Begegnungen, die damals so verstört haben müssen, dass der ausstrahlende Sender den Film mit einer eigens erstellten Handreichung über die Geschichte von Judenverfolgung und Shoah versah.
Im Jahr 1982 besucht Mrakitsch eine Gruppe Siedler, Anhänger der Groß-Israel-Bewegung „Gusch Emunim“ in der Westbank. „Zäune, Stacheldraht, Scheinwerfer. Ghetto- und Lagerassoziationen habe ich mich vergeblich zu verschließen versucht. Auf schmerzhafte Weise unbegreiflich war mir, wie ausgerechnet junge Juden ein Leben hinter dem Verhau wählen können. Auch sie zu jung schon, um noch zu erschrecken?“ fragt Mrakitsch beim Anblick der paramilitärischen Wehrsiedlung.

Der Film schildert den Prozess der Landnahme und Zerstückelung des palästinensischen Siedlungsgebiets, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten gerade systematisch begonnen hatte. Damals war Lohnarbeit noch das Ziel der israelischen Kolonisierungspolitik. Doch die Palästinenser in der Westbank wissen: „Sie nehmen uns das Land, was wird sie hindern, uns einmal auch die Arbeit zu nehmen?“

Darauf reist er in das palästinensische Flüchtlingslager Burdsche el-Schimali. Viele derer, die Mrakitsch trifft, haben erst vor wenigen Jahren den Kessel von Tal al-Zaatar (die Belagerung des gleichnamigen palästinensischen Flüchtlingslagers in Beirut durch christliche Milizen, die 1976 in einem Massaker endete) überlebt, und haben danach hier Zuflucht gefunden. Kurz vor der israelischen Invasion des Libanon und der Massaker von Sabra und Shatila droht ihnen erneut, eingeschlossen, umzingelt, von Raketen beschossen zu werden.

Der Film findet statt in „einer Art aufreibender Zeitlosigkeit“. In langen Gesprächen werden die Wirren des Krieges aus der Perspektive der Menschen in den palästinensischen Lagern erzählt, während gerade die letzten autonomen Strukturen der palästinensischen Befreiungsbewegung zerstört werden, die damals wohl so nah wie nie am Aufbau eines eigenen Staatswesens war. Israelische Annexionspolitik, christliche Milizen, syrische Raketen – es ist der verzweifelte Versuch, sich mithilfe einer Art Geschichtsschreibung von unten Kriegspropaganda, Durchhalteparolen und gezielter Fehlinformation entgegenzustemmen. Auf 135 Minuten, zur besten Sendezeit, und nur unterbrochen durch die Tagesschau.

„Wir ertappen uns beim Drehen befremdlicher Bilder – jenseits all dessen, was uns beschäftigt. Bilder einer schamlosen, beinahe obszönen Geschichtslosigkeit.“ Der Dokumentarfilm muss kapitulieren vor den Tatsachen, die vom Militär geschaffen werden und nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Am Ende findet sich das Filmteam im Bunker wieder, weil das israelische Militär mit den Bombardierungen der Flüchtlingslager beginnt.

***

„Ich bin ein Aufklärer, der nicht mehr an die Aufklärung glaubt,“ sagte Mrakitsch einmal. Er arbeitete erklärtermaßen in der Tradition der französischen Filmessayisten der Sechziger-Jahre, an denen er neben dem literarischen Anspruch vor allem schätzt, dass sie ihren „Gegenstand nicht ans Cineastische verraten“.

Das Dokumentarische begriff er als bewussten Kunstverzicht, einen in dieser Hinsicht eminent politischen Akt und unweigerliche Hinwendung zum Sozialen, die mit einem heute noch erstaunlich erfrischenden, undogmatischen Materialismus einhergeht. Auch wenn es auf den ersten Blick täuschen mag: Es geht weder darum, die Welt ins Wohnzimmer zu holen, noch darum, vom Katheder aus zu dozieren. Mrakitschs Filme markieren die imaginäre Fluchtlinie einer aufgeklärten Bürgerlichkeit, die es zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr gibt, weil sie sich an den Faschismus angedient hatte oder vom Faschismus vernichtet wurde. Es ist eine Art Bildungsbürgertum in wahrsten Sinne des Wortes: Die Bildung einer widerspenstigen Meinung geht einher mit der Wiedereroberung einer eigenen Sprache, die nicht in erster Linie dazu da ist, die Verhältnisse korrekt wiederzugeben, sondern vielmehr in der Lage wäre, in diese Verhältnisse zu intervenieren.

Diese Haltung dürfte wohl eine ganze Generation westdeutscher Intellektueller charakterisieren, die Faschismus und Krieg als Kinder miterlebt haben, damit radikal zu brechen vorhatten, aber für die weder der dogmatische Parteisozialismus noch die romantische Unbekümmertheit der ödipalen Revolte in den 60er-Jahren eine Option waren.

Angetrieben von der Dringlichkeit einer „Re-education“ der westdeutschen Alltagskultur und allen Unkenrufen zum Trotz machten sie sich daran, das damals neue Medium Fernsehen zu nutzen, um entfremdetes, falsches Bewusstsein mit einem intellektuellen Niveau zu provozieren, das allein dem Effizienzdenken eines entfesselten Industriekapitalismus sowie der Brutalität seiner institutionalisierten Folgeerscheinungen widerstehen könnte. Dass dieser Strategie kein großer Erfolg beschieden war, hat viele Gründe und wird aus heutiger Sicht kaum verwundern. Resignation und der Rückzug ins Schöngeistige angesichts der aufkommenden postindustriellen Unterhaltungsindustrie war die mehr oder weniger zwangsläufige Konsequenz einer Herangehensweise, die sich kompromisslos geben musste und doch vollkommen zerrissen war.

Die kleine Retrospektive von drei Fernsehfilmen von Michael Mrakitsch sowie ihren drei Folgeprojekten ist nicht nur Tribut an einen ebenso wichtigen, wie lange in Vergessenheit geratenen Protagonisten des westdeutschen Dokumentarfilms. Die Filme sind womöglich zum ersten Mal zu sehen außerhalb des Mediums „Fernsehen“, in dem sie entstanden und mit dessen Produktionsbedingungen sie untrennbar verbunden sind. Zumindest aus heutiger Sicht stellen sie genau das Gegenteil dessen dar, was Fernsehen ist oder sich einbildet vorzugeben, um im Gegenzug umso entschlossener darauf zu verweisen, was Fernsehen durchaus sein könnte, aber sich längst nicht mehr vorzustellen wagt.

Schließlich aber handelt es sich bei dem Projekt, diese Filme heute und nach langer Zeit wieder zu zeigen und zu sehen, um ein Experiment mit durchaus offenem Ausgang: Schlechte Filme sehen immer gleich aus. Gute dagegen wirken mit jedem Mal, zu dem sie gesehen werden, verschieden.

Djibouti oder Die Gewehre sind nicht geladen – nur nachts (BRD 1975, 53 min) und Djibouti, Wiederbegegnung mit einer Erfindung 1973/1991 (D 1991, 60 min) Mittwoch, 2. Juni, 22 h
Schalom oder Wir haben nichts zu verlieren (BRD 1983, 130 min) Donnerstag, 3. Juni, 12 h
Drinnen, das ist wie draußen, nur anders. Protokolle aus einer psychiatrischen Anstalt („Irrenhausprotokolle“) (BRD 1977, 97 min)
Sonntag, 6. Juni, 14.30 h
Alle drei Filme und ihre Drehorte hat Michael Mrakitsch rund 20 Jahre nach ihrer Ausstrahlung erneut aufgesucht. Diese filmischen Wiederbegegnungen stehen während des Forums zur Sichtung zur Verfügung.
Ein Gespräch zwischen Florian Schneider und Rick Prelinger, dem Gründer der Prelinger Archives, findet statt am Sonntag, 6. Juni, 16.30 h.

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